Die „Rufus“-Reihe soll jeder verstehen und genießen können, Jugendliche und Erwachsene, Studierte und Nichtstudierte. Wer sich im Roman auf fremde Welten einlässt, der wird auf unterhaltsame Weise ganz automatisch kennenlernen, was die damalige Zeit so alles zu bieten hatte - und lernt beim Lesen wie von selbst. Alles so authentisch und historisch korrekt wie möglich zu erzählen und dabei spannend zu bleiben, das ist mein Ziel.
Die „AMORES - Die Liebesleiden des jungen Ovid“ sind dagegen nicht immer ganz jugendfrei (wie auch die Originalverse Ovids und seiner Zeitgenossen). Der Laie kann sich über die „moderne“ Sprache & Handlung freuen, der Fachmann über zahlreiche Anspielungen und intertextuelle Scherze.
Auf dem Blog zeige ich einen Blick hinter die Kulissen. Dabei gebe ich auch Hintergrundinformationen über Politik und Alltagsleben der späten Republik und frühen Kaiserzeit in Rom und einiger Kelten- und Germanenstämme.
Feste Probeleser aus verschiedensten Altersgruppen haben bereits die ersten Bände gelesen. Die Rückmeldungen setze ich um. Sehr gute Feedbacks kamen dabei nicht nur von Universitätsprofessoren und anderen Fachleuten sondern gerade auch von Schülerinnen und Schülern - vielleicht demnächst auch von dir? Gerne nehme ich jede gute Anregung auf (Rufus.in.Rom@gmail.com)...

Donnerstag, 16. April 2015

Wie lange noch? Marsch- und Reisegeschwindigkeiten im Römischen Reich


Reit- & Marschgeschwindigkeiten in der römischen ArmeeImmer wenn in einem antiken Bericht Entfernungen auftauchen, Märsche oder Eilmärsche von antiken Heeren, eine Reise, oder wenn ein Bote neue Nachrichten meldet, immer dann stellt sich automatisch die Frage nach der Geschwindigkeit. Quo usque tandem - Wie lange ist man nun eigentlich unterwegs?
  • Wenn man den antiken Autoren Valerius Maximus (→ Val.Max. 5,5,3) und Plinius (→ Plin. nat.hist. 7,20,84) Glauben schenken kann, dann schaffen der Gardereiter Namantabagius zusammen mit Tiberius in absoluter Rekordzeit innerhalb vierundzwanzig Stunden über 320 km! Ist man zu Pferde unterwegs, so kann man jedoch selbst bei einem Gewaltritt in der Regel von „nur“ 90 km pro Tag ausgehen (→ Speidel, Riding for Caesar, S. 14). Die normale „Marschgeschwindigkeit“ auf Pferderückenlag liegt bei bis zu 65 km, wenn man die (meist unbeschlagenen Hufe der) Pferde nicht überfordern wollte - Caesars maximale 95 km wetzt anscheinend zu stark die Hufe ab. Wo möglich wird selbst von Reitern der Transport über Wasserwege bevorzugt, wie auch Caesar 48 v. Chr. seine Reiter per Schiff nach Ägypten brachte.
  • Zu Fuß ist man entsprechend langsamer. In der bei Vegetius beschriebenen Ausbildung der Rekruten müssen angehende Soldaten innerhalb fünf Stunden eine Strecke von zwanzig römischen Meilen mit vollem Marschgepäck bewältigen können (über 40kg!), bei einem Gewaltmarsch sogar vierundzwanzig in derselben Zeit (→ Veg.Mil.1,9). Ein normaler Reisender wird daher kaum mehr als 30 Meilen am Tag zurücklegen, trotz des bestens ausgebauten römischen Straßensystems.
  • Vor allem bei Schiffsreisen über das Meer hängt die Reisedauer nicht nur von der Kilometerzahl, sondern auch stark von der Jahreszeit und vom Wetter ab. Ohne auf günstigen Wind zu warten, wird die Überfahrt extrem risikoreich. In der Zeit der Winterstürme vom 12. November bis zum 27. März traut sich kaum ein Seemann auf das offene Meer – mare clusum! Nur wagemutige Passagiere wie z.B. Julius Caesar zwingen den Kapitän gegen widrige Wogen oder gar in tosende See auszulaufen (→ Plutarch, Caesar 38; Suet.Iul. 58).
Für die Reisegeschwindigkeit spielt auch der Geldbeutel eine entscheidende Rolle. Wie man sieht, ist die Berechnung der Geschwindigkeit ein kompliziertes Unterfangen und immer im Einzelfall neu zu erarbeiten. Jedoch kann man sich die Reisegeschwindigkeit in Abhängigkeit von Jahreszeit und verfügbarem Vermögen, das eingesetzt werden kann, auch in einer Art Antiken-Routenplaner im Römischen Reich berechnen lassen und zwar auf dem ORBIS-Projekt der Stanford University.
Hier geht es zu

Dienstag, 14. April 2015

IX. Crassus. Leseprobe aus "Catilina und die Jugend Roms"

Es folgt ein Auszug aus Kapitel Neun (zweiter Band - bisher gibt es hier Ausschnitte aus dem ersten, zweiten, dritten, vierten, fünften, sechsten, siebten und achten Kapitel). Anregungen und Kommentare sind wie immer erwünscht (Rufus.in.Rom@gmail.com)!

Kapitel IX: Crassus
[…] Wie gefährlich war Catilina wirklich?
»Veleda
Wie gerne hätte Rufus jetzt auf den Rat seiner großen Schwester gehört. Er versuchte auch wieder, mit Fabia zu sprechen, möglicherweise konnte sie ihm helfen.
Doch Fabia ging Rufus neuerdings aus dem Weg. Im Unterricht bei Crispus drehte sie immer den Kopf weg, wenn er in ihre Richtung sah. Lucius schien ein wenig beleidigt, dass Rufus zuletzt so viel mit Gaius unternommen hatte, und war ganz in seine Gedichte vertieft.
Dafür war Fabiulla noch aufdringlicher als sonst – wenn das überhaupt möglich war. Um ihr zu entgehen, versteckte er sich in den folgenden Wochen bei Crispus in der Bibliothek, wann immer er eine freie Stunde hatte. Zur Freude seines Lehrers las er dort die Schriften Zenons und Epikurs. Vielleicht kam ihm dabei die richtige Idee.
„Au! Was zum Pluto…“
Ein Kiesel hatte ihn am Kopf getroffen, während er gerade Epikurs Brief an dessen Schüler Menoikeus übersetzte.
Rufus kratzte sich am Kopf und sah argwöhnisch nach draußen.
Rufus hatte erwartet, dass Fabiulla wieder der Zofe Agatha entwischt sei. Stattdessen stand dort Asia mit einem Finger am Mund und lächelte schüchtern. Mit der anderen Hand winkte sie ihn herbei. […]
Porträt des Crassus mit Augen (und Perücke)
M. Licinius Crassus Dives (mit Toupet)

[Rufus erhält über Cicatrix Nachrichten Nachrichten von Cicero. Da Rufus jedoch nichts vom Verbleib seines Gastbruders weiß, versucht er, die Spionageaufträge zu ignorieren. Inzwischen verschlechtert sich die Laune der Allobroger zusehends, ein gewisser Marcus Crassus blockiert das Vorhaben der Steuererleichterungen im Senat. Gaius kehrt zurück, erklärt aber nicht, wo er war. Dafür nimmt er Rufus zum Fest des Oktoberpferdes mit, einem sportlichen Großereignis in den Straßen des quirligsten Viertels Roms…]

„Hoc habet!“, rief Marcus Antonius begeistert, als ein jugendlicher Sportler sein Gegenüber mit dem Ellenbogen zur Seite geräumt hatte, dass der nur so gegen die Wand krachte und der Putz herunterfiel.
Seine Stimme war so laut, dass sie das ohrenbetäubende Gebrüll der Zuschauer noch übertönte.
„Glaubst du immer noch, dass die Sacravienses gewinnen?“
Der Sportler versuchte so weit wie möglich mit dem Pferdekopf voran zu kommen, ging aber in einem Knäul von Gegnern zu Boden.
„Abwarten!“, lächelte Marcus Caelius, wobei seine lebensfrohen grünen Augen blitzten, „am Ende hängt der Schädel wieder an der Regia am Forum“.
„Unsinn! Den nageln die Suburanenses dieses Mal an die turris Mamilia!“
Ein Sportler aus der Subura versuchte den Pferdekopf einem Mitspieler zuzuwerfen, wurde dabei jedoch von zwei Sacraviensern in die Zange genommen.
Der Schädel flog in den Laden eines Töpfers, der sein Geschäft unvorsichtigerweise offen gelassen hatte, um zusehen zu können. Beide Mannschaften drängten sofort hinterher und machten den Töpferladen zur Arena.
Nur wenige Augenblicke reichten aus, um den halben Laden zu Bruch gehen zu lassen, Amphoren brachen, Teller und Tassen flogen durch die Luft. Manche Zuschauer johlten und klatschten noch dazu.
Als die Sportler wieder draußen waren rannte der Töpfer mit Wachstäfelchen und Stilus hinterher und versuchte vom größten Tollpatsch der Suburanenses eine Schuldanerkennung zu erreichen. Stattdessen ging er nach einem rüden Tackling zu Boden und verlor das Bewusstsein.
Rufus zog Gaius am Arm und lief sofort zu dem Ohnmächtigen Töpfer hin, Gaius folgte, als er begriff, was Rufus vorhatte.
Doch die nachfolgenden Zuschauer schoben sich dem Wettstreit in dichtem Gedränge hinterher und achteten dabei auf niemanden. Nachdem sich Rufus und Gaius erst einmal herunter gebeugt hatten, kamen sie nicht wieder hoch, die ersten begannen, einfach auf sie zu treten.
Rufus bekam einen Tritt ab.
Er bekam nur noch mit Mühe Luft, sah nur noch stampfende Füße vor sich, hörte nur noch ein dumpfes Brummen.
Plötzlich wurde er mit einem Ruck in die Höhe gerissen.
„Beim Herakles, ihr wollt euch doch nicht von der Masse niedertrampeln lassen?“
Antonius hatte beherzt zugegriffen und zog sie alle drei aus dem Gedränge.
Durch die dröhnende Stimme des Antonius wurde Rufus wieder klar im Kopf.
Die Panik wich.
Nur mit dem Riechen schien es noch nicht wieder ganz zu gehen, alles was er wahrnahm, war ein starker Brandgeruch.
»Und dazu noch diese Hitze auf einmal, mitten im Oktober…«
Noch etwas benommen drehte er sich um.
Doch, da war tatsächlich ein Feuer: Beim Kampf um den Pferdekopf musste jemand eine Lampe umgestoßen haben oder hatte den Herd getroffen. Der Laden des Töpfers brannte lichterloh!
„He!“, rief Rufus, „Feuer!“
»Warum nur war kaum jemand am Löschen?«
Daheim auf dem Dünsberg hätten alle Ubier gemeinsam angepackt. War den Römern etwa ihr Wettkampf wichtiger?
Inzwischen drang das Lärmen der Bewohner der oberen Stockwerke durch das Gejohle der Zuschauer: Schreiend machten sie auf sich aufmerksam.
Dicke Schwaden stiegen aus der offenen Ladenzeile und wirbelten Funken und Ruß weit in die Höhe. Um nicht am Rauch zu ersticken, versuchten sich einige von ihnen mit einem mutigen Sprung auf das Dach des niedrigeren Nachbarhauses zu retten oder sie sprangen aus dem Fenster.
„Aber wen haben wir denn da?“, dröhnte Marcus Antonius, der eine junge Springerin auffing.
Und mit einem Blick auf ihre ringlose Hand:
„Wenn dich dein Herr verkaufen will, sag ihm, Marcus Antonius ist interessiert…“
Endlich kam Bewegung in die Menge. Viele rannten mit allerlei Gefäßen zum nahen Brunnen.
Rufus schnappte sich eine Amphore und versuchte zu helfen.
Es gab jedoch kaum ein Durchkommen gegen die Massen an Zuschauern.
»Beim Neptunus, wie soll man da nur vernünftig löschen?«
Gaius stieß Antonius in die Seite:
„Lass die Sklavin runter Marcus, wir müssen etwas unternehmen!“
Rufus drängte sich verzweifelt hindurch und leerte seine Amphore mitten ins Feuer, erzielte aber kaum eine Wirkung. Dafür ließ ihn der dichte Qualm husten.
Antonius dachte kurz nach.
Dann senkte er seinen Kopf streckte die Arme nach vorne aus und rannte mitten unter die Wettkämpfer.
„Platz da, beim Herakles!“
Er tauchte unter den Sportlern ab und war nicht mehr zu sehen.
Rufus dachte schon, dass er zu Boden gegangen sei, doch dann schob sich eine Welle von hochgerissenen Köpfen und Armen durch die Sportler, an deren Spitze schließlich brüllend der Stiernacken des Antonius auftauchte.
Einen seiner bärigen Arme nach vorne ausgestreckt, schleuderte er den Pferdkopf mit einem gewaltigen Wurf die Seitenstraße hinunter, wo er aus dem Sichtfeld verschwand – hinterher alle Sportler und der größte der Teil der Menge.
Brände gab es oft in Rom, aber den Wettkampf um den Pferdeschädel nur einmal, an den Iden des Oktober.
Unterdessen war eine größere Sklavenmannschaft eingetroffen, die allerlei Eimer, Decken und Äxte schleppte.
»Höchste Zeit!«, dachte Rufus.
Die Flammen schlugen immer höher.
Die wenigen freiwilligen Helfer würden sie nicht mehr lang unter Kontrolle halten können, auch wenn inzwischen ein älterer Herr aufgetaucht war, der sie antrieb und jeden zum Mithelfen aufforderte.
Bald wären auch die Nachbarhäuser in Gefahr.
Auf ein Kommando blieb der Sklaventrupp jedoch vor dem brennenden Haus stehen. Angeführt wurden sie von einem gelangweilt dreinblickenden Togaträger, gefolgt von einem Sklaven mit einem Weidentornister voller Schriftrollen und Wachstäfelchen, wie sie die Privatsekretäre der Anwälte auf dem Forum trugen.
„Ja warum helfen sie denn nicht?“, fragte Rufus entsetzt.
Die Hitze des Brandes hatte ihm schon die Augenbrauen versengt, dennoch wollte er das Feuer weiter bekämpfen.
Die Mannschaft versperrte nun den Weg zum Brunnen, während ihr Anführer mit dem Herrn verhandelte - scheinbar der Eigentümer.
„Die müssen die Rauchsäule gesehen haben - Crassus!“
Gaius spuckte wütend aus.
„Na, na“, wies ihn Marcus Caelius spaßhaft zu Recht, „fängst du jetzt gegen alle meine Mentoren zu stänkern an? Reicht es dir nicht mehr, Cicero zu beschimpfen?“
Gaius verzog das Gesicht und verschränkte die Arme.
„Was ist los? Ist das Crassus? Dann rede du mit deinem Mentor, Caelius, die müssen doch helfen zu löschen, nicht zu blockieren!“
Caelius lächelte und schüttelte verneinend seine rotblonden Locken.
„Nur die Ruhe. Nein, das ist nicht Crassus und die fangen auch gleich an, du wirst schon sehen. Crassus hat überall in der Stadt Klienten, die nach dickem schwarzem Rauch Ausschau halten. Wenn es brennt, kann man sich auf einen verlassen: Marcus Licinius Crassus Dives. Seine Mannschaften löschen jedes Feuer.“
„Aber nicht zu jedem Preis“, mischte sich Antonius ein. Äußerlich wirkte er ein wenig mitgenommen, seine Chlamys war zerrissen, die Tunika aufgerissen und er hatte ein paar blaue Flecken und Abschürfungen mitbekommen. Von innen heraus aber strahlte er.
„Da wir gerade über Preise reden, den Wurf hätte nicht einmal mein Ahnherr weiter werfen können, oder? Das war doch wohl preisverdächtig!“
Rufus blickte immer noch voll Sorge auf die Verhandlungen direkt vor den züngelnden Flammen, die wieder an Macht gewannen.
„Was haben die denn da noch groß aufzuschreiben? Dort ist das Feuer, gleich dahinter!“
„Na, nur keine Aufregung, kleiner Gallier!“, strich ihm Antonius ruppig über den Kopf.
„Siehst du? Sie sind schon beim Besiegeln. Wenn er länger warten würde, hätte der Alte auch nichts mehr übrig, zum Verkaufen…“
„Wie meinst du das?“
„Crassus‘ Löschtrupps löschen nur eigenes Hab und Gut. Wer nicht verkauft, der muss zusehen, wie alles verbrennt und sein Besitz schließlich gar nichts mehr wert ist.“
„Na, das geht ja noch. Dann hilft Crassus Menschen mit brennenden Häusern?“
Gaius schnaubte ungehalten.
„Crassus und helfen? Der König der feuchten Mietskasernen? Der selbst Einzimmerlöcher im fünften Stock zu Wucherpreisen vermietet? Wohl kaum! Er kauft zum Spottpreis, wenn den Besitzern nichts anderes mehr übrigbleibt. Wer gibt da schon einen harten Verhandlungspartner ab, wenn sein Besitz dabei ist, in Flammen aufzugehen. Da gibt es nur zwei Alternativen: Pleite gehen, oder zu einem Bruchteil des echten Wertes verkaufen. So ist Crassus reich geworden. Und weißt du wodurch noch? Er soll unter Sulla Unschuldige auf die Proskriptionsliste gesetzt und bei der Versteigerung alle anderen Bieter eingeschüchtert haben. Danach ließ selbst Sulla ihn fallen und nur deswegen bekämpft er gelegentlich die sullanische Ordnung und den Adelsklüngel, die selbsternannten ʺOptimatenʺ. Trauen kann man ihm aber gewiss nicht, selbst, wenn er manchmal die richtigen Leute unterstützt…“
„Ist das etwa der Grund, warum ich neuerdings nicht mehr in eurem inneren Zirkel mit dabei sein darf? Mein Mentor Crassus? Das mit den Proskriptionen ist nur ein nie bewiesenes Gerücht und außerdem rund zwanzig Jahre her. Kein Grund, mich nicht mehr zu Catilina mit zu nehmen…“
Gaius presste die Lippen aufeinander und starrte zu Crassus’ Sklaventrupp hinüber.